Markt der Möglichkeiten zu „Demenz und Ernährung“
„Das Leben und der Umgang mit Demenz ist eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Wir können die Krankheit nicht verhindern, aber wir können durch gezielte Maßnahmen den Verlauf beeinflussen und die Betroffenen und ihre Angehörigen unterstützen. Die Ernährung spielt dabei eine entscheidende Rolle.“
Mit dieser Botschaft eröffnete Sozialministerin Aminata Touré am 09.05.2023 den „Markt der Möglichkeiten“ zum Thema Demenz und Ernährung, deren Haus die Veranstaltung finanziell förderte.
Nahezu jede zehnte Person über 65 Jahren, die in Deutschland lebt, ist heute von einer Demenzerkrankung betroffen - Tendenz steigend. Allein in Schleswig-Holstein sind 66.000 Menschen an Demenz erkrankt. Das Sozialministerium unterstützte den Markt der Möglichkeiten, den das Forum Pflegegesellschaft e.V. und die Vernetzungsstelle Seniorenernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein (VSE SH) im Vorfeld des weltweiten „Tages der Pflegenden“ (12.05.) durchführten. Hier konnten sich Demenzerkrankte, pflegende An- und Zugehörige, Interessierte und Mitarbeiter*innen aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich rund um das Themenfeld „Demenz und Ernährung“ informieren.
Expert*innen erläuterten den Teilnehmenden in Kurzvorträgen ganz verschiedene Aspekte.
„Für uns als Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) steht natürlich immer die bedarfsdeckende Zufuhr von Energie und Nährstoffen besonders im Fokus“, so Sophie Pekrun, Mitarbeiterin der VSE SH. „Aber bei Demenzerkrankten geht es noch um viel mehr. Hier sind regelmäßige Mahlzeiten zusätzlich auch für einen geregelten Tagesablauf wichtig und geben Sicherheit und eine Orientierung“.
Essen beginnt im Mund und macht nur Spaß, wenn Mund und Zähne gesund sind. Zudem ist hier die erste Eintrittspforte für mögliche Keime. Die ständige Pflege der Mundhöhle und ein gut sitzendes Gebiss sind dementsprechend wichtige Bausteine der Immunabwehr, wie Dr. Martina Walther von der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein verdeutlichte.
Die Auswahl der Lebensmittel und die Zubereitung von Speisen wird für diejenigen, die am Herd stehen, oft zur Herausforderung. Bei vielen Demenzerkrankten ändert sich der Geschmack. Bisher immer gerne gegessene Lieblingsgerichte werden von heute auf morgen abgelehnt, weil Bestandteile nicht mehr erkannt und z.B. die Erbsen plötzlich für giftig gehalten werden. Manche mögen nur noch Speisen, die süß schmecken – da darf auch ruhig mal Zucker über den Fisch gestreut werden.
Die häufig auftretende Unruhe und damit einhergehende hohe Aktivität erfordern reichlich Kalorien. Fingerfood, bei dem der an Demenz Erkrankte jederzeit zugreifen kann, ist hier ein probates Mittel, was vor allem ein Vorteil ist, wenn der Umgang mit Besteck nicht mehr gelingt. Dr. Philipp Bergmann, Geriater am UKSH, sensibilisierte für das im Alter oft besorgniserregende Problem der Mangelernährung. Nicht selten vergessen die Erkrankten einfach zu essen. Im Vortrag der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein erhielten die Teilnehmer*innen unter anderem eine Übersicht günstiger und gesunder Sattmacher. Welche Mahlzeitengestaltung dabei hilft, damit Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalten, wusste Antje Holst vom Kompetenzzentrum Demenz eindrucksvoll zu erläutern. Oft reicht die „normale“ Ernährung nicht aus. Dementsprechend wurde an verschiedenen Ständen über besondere Möglichkeiten der Anreicherung von Speisen genauso wie über geeignetes Geschirr und Besteck für Menschen mit Einschränkungen informiert und beraten.
Gebogene Löffel, Teller mit hohem Rand, Tassen mit Nasenausschnitt sind nur einige Beispiele dafür. Wenn die geliebte Tasse Kaffee aufgrund zunehmender Schluckstörungen immer wieder in der Luftröhre landet, kann über das Andicken des Getränkes die Schluckfähigkeit und damit auch ein großes Stück Lebensqualität wiederhergestellt werden. Die Logopädin Jasmin Tovar zeigte Interessierten, welchen enormen Einfluss die Sitzposition auf das Schlucken hat. Zeigt die Lehne schräg nach hinten, ist der Kopf nach hinten gebeugt oder haben die Füße keinen festen Bodenkontakt, ist der Bissen deutlich schlechter zu schlucken. Begleitend zu den speziellen Aspekten der Ernährung stellten sich die Alzheimer Gesellschaft e.V., das Kompetenzzentrum Demenz und der Verein wir pflegen e.V. als kompetente Beratungsstellen für Betroffene sowie deren An- und Zugehörige vor, die bei allen Aspekten rund um das Leben mit Demenz unterstützen.
„Ernährungsbezogene Interventionen sollten ein integraler Bestandteil der Demenzbehandlung sein.“, fordert Dr. Petra Schulze-Lohmann, Sektionsleiterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. in Schleswig-Holstein. „Routinemäßige Screenings auf Mangelernährung sollten nicht nur in Senioreneinrichtungen, sondern auch in der hausärztlichen Praxis und -soweit möglich- auch im häuslichen Umfeld durchgeführt werden. Denn“, so Schulze-Lohmann „es wird immer wieder unterschätzt, wie schwierig es im Alter ist, verlorene Kilos, die schon für das Überstehen einer eigentlich nicht lebensbedrohlichen Grippe enorm wichtig sein können, wieder zuzunehmen“.
„Abwechslungsreiches, qualitativ hochwertiges Essen entsprechend den persönlichen Bedürfnissen in Verbindung mit einer individuellen, adäquaten pflegerischen Begleitung sind wichtige Voraussetzungen für ein gutes Gelingen und zugleich eine anspruchsvolle Aufgabe“, fasst Anette Langner, Sprecherin des Forums Pflegegesellschaft e.V. zusammen. „Als Zusammenschluss von ca. 80 % aller stationären Pflegeeinrichtungen und 70 % aller ambulanten Pflegedienste in Schleswig- Holstein werden wir gemeinsam mit der Vernetzungsstelle Seniorenernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dieses wichtige Thema weiterhin in Schleswig-Holstein bearbeiten.“
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Das Forum Pflegegesellschaft e.V. ist ein Zusammenschluss von Trägerverbänden, deren Mitglieder ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen und Pflegeschulen betreiben. Über die Mitgliedsverbände repräsentiert das Forum Pflegegesellschaft e.V. ca. 80 % aller stationären Pflegeeinrichtungen, 70 % aller ambulanten Pflegedienste und 16 Pflegeschulen in Schleswig-Holstein. Das Forum vertritt damit über 1000 Einrichtungen und Dienste mit ca. 50.000 Beschäftigten in Schleswig-Holstein.
Die Vernetzungsstelle Seniorenernährung (VSE SH) wurde 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung "IN FORM" in Schleswig-Holstein gegründet. Gefördert wird die Vernetzungsstelle außerdem mit Landesmitteln vom Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein. Die VSE SH ist bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., Sektion Kiel, angegliedert.
IN FORM ist Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Sie wurde 2008 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiiert und ist seitdem bundesweit mit Projektpartnern in allen Lebensbereichen aktiv. Ziel ist, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Menschen dauerhaft zu verbessern. Weitere Informationen unter: www.in-form.de